25.11.2019, Berlin, Köthen. Vom 21. bis 22. November 2019 tagte an der Hochschule Anhalt (die Mitglieder des Fachbereichstages Maschinenbau e.V. (FBTM e.V.). Thema der diesjährigen Fachtagung war Digitalisierung und Hochschulausbildung im Maschinenbau 4.0 – eine Herausforderung für die moderne Hochschulausbildung im Maschinenbau.
In diesem Jahr hatte die Hochschule Anhalt die Organisation der Fachtagung übernommen. „Wir haben zwei konstruktive Tage mit angeregten Diskussionen erlebt. Der Campus Köthen der Hochschule Anhalt mit seinen hervorragend ausgestatteten Laboren hat hier den perfekten Rahmen für unser diesjähriges Motto Digitalisierung und Maschinenbau gegeben. Zeigt doch der Campus mit den unterschiedlichen Fachbereichen Informatik und Sprachen (FB5), Elektrotechnik, Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen (FB6) sowie Angewandte Biowissenschaften und Prozesstechnik (FB7) an einem Ort vereint, dass sich unterschiedliche Disziplinen mehr ergänzen, statt abschotten müssen“, so die Vorsitzende des FBTM e.V., Professorin Moniko Greif.
Der Anfang war geprägt von studienbasierten Gastbeiträgen von Dr. Franziska Seimys (VDMA Bildung) und Dr. Sasa Jacob (VDI), die Anforderungen zu Studieninhalten und Kompetenzen formulierten.
Im Anschluss diskutierten die TeilnehmerInnen im Rahmen eines Worldcafé-Formates die konkreten Umsetzungen.
Die wichtigsten Ergebnisse des Worldcafés
Erarbeitet wurden Vorschläge zu ergänzenden und veränderten Inhalten aus den Gebieten Elektrotechnik und Informatik, aber auch zur Verbesserung von Methodenkompetenz und Prozessverständnis und den immer wichtiger werdenden „social skills“. Hier sollen verstärkt Lernformen wie interdisziplinäre Projekte eingesetzt werden. Softwarenutzung sollte in die klassischen Fächer integriert werden, z.B. CAD-Nutzung in der Konstruktion. Das verhindert, dass nur die Bedienung der aktuellen Software im Vordergrund steht und nicht die prinzipielle theoriebasierte Vorgehensweise, die auch bei der nächsten Software gültig bleibt.
Besonders gefragt war die geballte Schwarm-Intelligenz der MaschinenbauerInnen bei den Kürzungsvorschlägen. Hier zeigt sich, dass der Teufel im Detail liegt, d.h. nicht der Wegfall ganzer Fächer wurde für zielführend gehalten, sondern deren Durchforstung.
Verleihung des Deutschlandpreises 2019 des FBTM
Der Abend stand ganz im Zeichen des Maschinenbau-Nachwuchses. Vier herausragende Abschlussarbeiten wurden mit dem Deutschlandpreis 2019 des FBTM ausgezeichnet. Dabei spiegelte sich auch das Motto dieser Fachtagung wider. Aus der Vielzahl der hervorragenden Einreichungen hatte eine Fachjury unter Vorsitz von Prof. Dr. Winfried Perseke von der Hochschule Coburg jeweils zwei Preisträger für die Kategorien Bachelor und Master für einen ersten Platz empfohlen. Prof. Perseke überreichte die Urkunden, die mit einem Preisgeld von je 1.500 Euro verbunden sind. „Die anschließenden Präsentationen der Preisträger vor dem interessierten Fachpublikum zeigen die Breite des Anwendungsbezugs der an HAW vorwiegend in Unternehmen erstellten Abschlussarbeiten“, so die Vorsitzende Prof. Greif.
Mit Platz 1 für seine Bachelorarbeit wurde Jonas Nawrath von der Hochschule RheinMain mit dem Titel: Implementierung einer Temperaturregelung in die thermische Keimsperre leitungsgebundener Wasserspender“ ausgezeichnet (Betreuung durch Prof. Dr. Metzler und Brita GmbH)
Die leitungsgebundenen Wasserspender der Firma BRITA sind in vielen Büros, Krankenhäusern, Kantinen und Gastronomiebetrieben zu finden. Doch eine durch Filter nicht beherrschbare Keimquelle sind die Benutzer der Wasserspender selbst. Als wirksame Gegenmaßnahme verfügen BRITA Wasserspender daher über eine sogenannte thermische Keimsperre, auch kurz TKS genannt. Diese besteht, vereinfacht dargestellt, aus einem Stück Heizdraht, welches um das Auslassröhrchen des Wasserspenders gewickelt ist. Wird dieser unter elektrische Spannung gesetzt, erwärmt er sich und das Rohr auf eine für Keime tödliche Temperatur. Um die TKS mit dem neuen Sensor testweise in die vorhandene Elektronik eines Wasserspenders integrieren zu können, wurde ein Funktionsmuster angefertigt. Gleichzeitig wurde eine Mess-Beschaltung, die den Temperaturwert an die Prozessoren der Wasserspender liefert, auf ihre Genauigkeit überprüft. Mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen und weiteren Messdaten aus einem thermodynamischen Modell und aus empirischen Versuchen wurde ein mathematisches Modell für das Temperatur-Zeit-Verhalten der TKS erstellt. Auf Basis des Modells wurde ein Regler ausgewählt und passende Parameter festgelegt. Der neu konzipierte Regelalgorithmus wurde anschließend in das vorhandene Software-Projekt der Wasserspender implementiert. Das Ergebnis der Arbeit ist ein funktionaler Prototyp, der anschließend noch durch eine Reihe von Tests verifiziert wurde. Das so entwickelte Konzept kann nun im Zuge der Modellpflege in kommende Wasserspender-Generationen verbaut werden.
Ebenfalls Platz 1 in der Kategorie Bachelor ging an Jan-Eric Skirde von der Hochschule Koblenz für seine Abschlussarbeit mit dem Titel „Entwicklung eines stationären Aussen-Luftreinigers für Allergiker mithilfe numerischer Strömungssimulation“ (Betreuung durch Prof. Dr. Andreas Huster und die Alfred Kärcher SE & Co. KG).
Der Grund für den Entwurf eines stationären Außenluftreinigers war, dass nach Angaben des Robert Koch Institutes im Jahr 2050 rund die Hälfte der deutschen Bevölkerung an einer Allergie leiden wird, bisher aber kein Endprodukt auf dem Markt angeboten wird, welches dem Allergiker ermöglicht, sich im Außenbereich aufzuhalten, ohne direkten Körperkontakt mit dem Schutzmechanismus aufzuweisen. Die finale Ausarbeitung des favorisierten Konzeptes erfolgte schließlich mithilfe der numerischen Strömungssimulation. Dabei modellierte er ein Mehrphasenströmungsmodell bestehend aus gereinigter Luft und pollenbelasteter Luft, bei welchem er verschiedenste Parameter wie Leistung, Bauraum, Geräuschpegel, Strömungsgeschwindigkeiten, Windgeschwindigkeiten, verschiedenste geometrische Parameter und vor allem die sinnvolle wirtschaftliche Umsetzung gegeneinander abwog. Das ausgearbeitete Modell beinhaltet ein spezielles Düsenkonzept, welches einen Luftvorhang um die Person bildete und einen inneren Bereich mit gereinigter Luft. Das besondere hierbei ist, dass im Inneren des Bereichs, in dem sich der Allergiker aufhält, quasi „Windstille“ herrscht und dieser damit keinen störenden Windzug erfährt. Weiterhin konnte eine Reduktion der Pollenbelastung im inneren Bereich um 95 Prozent in einem wirtschaftlich sinnvollen Rahmen erreicht werden. Das bedeutet, wenn in der Umgebung eine hohe Pollenbelastung herrscht, dann liegt im inneren Bereich keine bis eine niedrige Pollenbelastung vor.
Platz 1 bei den Masterarbeiten ging an Andreas Baur von der Hochschule Kempten mit seinem Thema „Entwicklung eines Hilfsmassendämpfers zur Optimierung der dynamischen Steifigkeit eines Bearbeitungszentrums“ (Betreuung: Prof. Andreas Stiegelmeyr)
Die Masterarbeit befasst sich mit der Entwicklung eines Hilfsmassendämpfers zur Optimierung der dynamischen Steifigkeit eines Fräsbearbeitungszentrums. Ausgehend von einer detaillierten, messtechnischen Analyse des strukturdynamischen Verhaltens wurde eine dynamische FE-Simulation des Fräsbearbeitungszentrums erstellt. Mithilfe dieser digitalen Entwicklungsumgebung konnten verschiedene Einbaupositionen untersucht und optimale Werte für die Parameter des Hilfsmassendämpfers (Masse, Steifigkeit und Dämpfung) bestimmt werden. Auf Basis der so gewonnen Erkenntnisse wurden mehrere Hilfsmassendämpfer-Konzepte entwickelt, wobei eines dieser Konzepte schlussendlich zu einem Prototyp weiterentwickelt wurde. Die abschließenden Messungen ergaben, dass der gefertigte Prototyp voll funktionsfähig ist und das dynamische Nachgiebigkeitsverhalten des Fräsbearbeitungszentrums im entsprechenden Frequenzbereich um rund 60% verbessert.
Weiterhin konnte Matthias Knape von der Hochschule Anhalt mit seiner Masterthesis „Untersuchung zur dieselähnlichen Wasserstoffverbrennung in einem Vierzylinder-Forschungsmotor“ (Betreuung: Prof. Dr. Günther Gern) überzeugen und erhielt ebenfalls eine Ehrung als erster Platz in der Kategorie Master.
Es wurde ein Reihenvierzylinder-PKW-Dieselmotor mit innerer Gemischbildung auf Wasserstoffbetrieb umgerüstet und in Betrieb genommen. Wasserstoff wird schon lange als umweltfreundlichster und vielversprechendster Energieträger der Zukunft gehandelt. Dabei kann Wasserstoff als Fahrzeugantrieb dienen oder zur bedarfsgerechten Rückverstromung mittels der Verwendung eines Verbrennungsmotors genutzt werden. Die Zielsetzung dieser Arbeit bestand darin, die bereits im Vorfeld am 1-Zylinder H2-Forschungsmotor des WTZ Roßlau gewonnenen Erkenntnisse zur hybridisierten dieselähnlichen Wasserstoffverbrennung, auf einen Vollmotor zu applizieren und diesen hinsichtlich des Brennverfahrens zu optimieren. Es erfolgte der Umbau des Versuchsträgers. Die größten Herausforderungen brachten die konstruktiven Nacharbeiten zur Integration der Komponenten für die Wasserstoff-Direkteinblasung am Zylinderkopf, die Realisierung eines geeigneten Zahnriementriebs sowie die Installation und Applikation der modellbasierten Motorsteuerung, in Verbindung mit der dafür erforderlichen Sensorik zur Überwachung und Verifizierung des Motors im Wasserstoffbetrieb hervor. Mit Hilfe thermo-dynamischer Brennverlaufsanalysen konnte ein Einblick in die Wechselwirkung zwischen Gemischbildung und Verbrennungsablauf erhalten werden. Das umgesetzte Brennverfahren bietet durchaus eine alternative Möglichkeit zur motorischen Nutzbarmachung von regenerativ erzeugtem Wasserstoff.
Als weltweit erste motorische Lösung soll der vollständig emissionsfreie Kreislaufmotor für die Umwandlung von regenerativ erzeugtem Wasserstoff und Sauerstoff in elektrische Energie weiter an Bedeutung gewinnen und eine echte Alternative zur Brennstoffzelle bilden.
Am zweiten Tagungstag wurde Digitalisierung als Forschungsthema an Hochschulen in Kooperation mit Unternehmen beleuchtet. Interessante Einblicke in die Digitalisierungsstrategie der Deutschen Bahn AG gewährte hier der Leiter des zentralen Produktmanagements der DB Fahrzeuginstandhaltung, Michael Otto. Prof. Carsten Schulz und Dr. Christian Reiser vom WTZ Roßlau zeigten anhand von wegweisenden Innovationen die Wichtigkeit einer praxisgeprägten Forschungsarbeit für die Wirtschaft. Beispiele und Rahmenbedingungen wurden anhand des Campus Köthen der Hochschule Anhalt verdeutlicht. „Gerade an der Hochschule Anhalt, versuchen wir mit interdisziplinären Ansätzen, unsere Studierenden für technische Themen der Zukunft zu faszinieren, um sie fit zu machen für innovative Entwicklungen in der Industrie“, so Prof. Dr. Ulrich-M. Eisentraut Mitglied des FBTM e.V. und Professor an der Hochschule Anhalt.
Wichtigste Ergebnisse dieser Fachtagung
Im Anschluss wurde ein Fazit der Tagung gezogen. Es zeigt sich, dass viele Fachbereiche ihre Curricula stetig weiterentwickeln und dass nicht nur informations- und elektrotechnische Fächer schon lange zum Standard im Studium gehören. Viele bevorzugen die Integration der jeweils neuen Software-Werkzeuge in die jeweiligen Fächer. Für Außenstehende ist das oft nicht zu erkennen, so dass fälschlicherweise der Eindruck entsteht, Maschinenbau sei kein moderner zukunftweisender Studiengang. Auch die vielbeschworenen Soft-Skills sollen eher mit Lernformen wie interdisziplinären Projekten mit fachlichen Inhalten zusammen vermittelt werden. Allerdings verfüge der Maschinenbau im Gegensatz zu anderen technischen Disziplinen mit der Konstruktion bereits im Grundstudium über ein Fach, das die anderen Grundlagenfächer wie technische Mechanik, Werkstoffkunde oder Fertigungsverfahren in der Anwendung zusammenführt, so Prof. Greif.
Daneben muss aber für übergreifende Themen wie Big Data oder künstliche Intelligenz Platz im Curriculum geschaffen werden. Spannend war die Diskussion, was denn an Inhalten entfallen könnte. Auch hier wurde keine einfache Lösung gefunden, sondern die Fächer müssen im Detail durchforstet werden.
Als weiteren Schritt wird die Arbeitsgruppe „Digitalisierung“ des FBTM e.V. die Tagungsergebnisse in einem Positionspapier für die nächste Mitgliederversammlung im Herbst 2020 aufbereiten. Damit werden die Maschinenbau-Fachbereiche bei der Weiterentwicklung ihrer Curricula unterstützt.
Die Hochschule Anhalt
Das klare Konzept der Hochschule Anhalt überzeugt, denn es führt Wissenschaft und Innovation konsequent zusammen. In Bernburg, Dessau und Köthen bietet sie innovative Forschung und Lehre auf internationalem Niveau. Zudem beste Studien- und Lebensqualität für fast 8.000 Studierende, von denen über 2.000 für internationales Flair sorgen. Die Bachelor- und Masterstudiengänge an den verschiedenen Fachbereichen haben eins gemeinsam – neben der Vermittlung von Fachwissen bereiten sie einen gelungenen Berufsstart vor.
Der Fachbereichstag Maschinenbau e.V.
Der Fachbereichstag Maschinenbau e.V. vertritt die Interessen der Hochschulen im Bereich Maschinenbau und artverwandten Bereichen und unterstützt sie in Lehre und Forschung. Darüber hinaus sind die Weiterbildung und der Ausbau von berufsbegleitenden Studiengängen ein wichtiger Teil unserer Arbeit.
Die 16 Ländervertreter und die/der Vorsitzende treffen sich zweimal im Jahr zum Austausch und unterbreiten Vorschläge für das weitere Vorgehen und für konkrete Projekte.
In jedem Jahr findet eine gemeinsame Sitzung der Mitglieder statt. Mitgliederversammlung und Fachtagung wechseln sich ab. Die Beschlüsse der Mitglieder geben die Handlungsrichtungen vor.
Pressekontakt Hochschule Anhalt:
Bettina Kranhold
Pressereferentin
bettina.kranhold@hs-anhalt.de
Pressekontakt Fachbereichstag Maschinenbau e.V.:
FBTM e.V. – Die Vorsitzende
Prof. Dr.-Ing. Moniko Greif
vorsitz@fbt-maschinenbau.de
News zum Download: >>Pressmitteilung Fachtagung November 2019